- X.com
- Messenger
- Messenger
Riley B. King muss man auf der Bühne erlebt haben. In den letzten Jahrzehnten, auf einer seiner zahlreichen Abschiedstourneen, saß da kein zusammengesunkener Greis auf einem Stuhl. King tanzte auf diesem Stuhl, schaukelte hin und her, spielte mit dem Mikrofon, scherzte mit den anderen Musikern.
Dazu sang er den Blues auch dann, wenn er ihn auf seiner elektrischen Gitarre spielte. Für King gab es da keinen Unterschied. Wo der Gesang aufhörte, begann das Spiel - und umgekehrt. Dann wurde er nicht nur zum "Blues Boy", wie er sich selbst nannte, sondern zum König beinahe aller Musiker, die jemals eine verstärkte Gitarre in die Hand nahmen. Dann wurde er zu B.B. King.
Geboren wurde er 1925 auf einer Baumwollplantage im Delta des Mississippi, sein kulturelles Umfeld war komplett auf die Kirche ausgerichtet. Die Mutter und die Großmutter sangen Sonntag für Sonntag im Gospelchor von Reverend Archie Fair, der seine Gottesdienste selbst auf der Gitarre begleitete und dem talentierten Knaben das Spiel beibrachte. Im Alter von sieben Jahren, sagte B.B. King später, wollte er nichts anderes als ein Prediger mit Gitarre sein. Er suchte nicht den Blues, der Blues suchte ihn.
![B.B. King gestorben: Nachruf zum Tode des Blues Boy (1) B.B. King gestorben: Nachruf zum Tode des Blues Boy (1)](https://i0.wp.com/cdn.prod.www.spiegel.de/images/f99bc7b9-0001-0004-0000-000000848941_w488_r1.778_fpx39.36_fpy50.jpg)
Fotostrecke
Blues-Legende B.B. King: Ein Leben für die Musik
Foto: PATRICK AVIOLAT/ ASSOCIATED PRESS
Vom Baumwollpflücker zum "Blues Boy"
Als er neun Jahre alt war, starb seine Mutter im Alter von nur 25 Jahren. King lebte eine Weile als Baumwollpflücker und Farmer bei seiner Großmutter, wo er das erste Mal T-Bone Walker hörte, der ihn stark beeinflussen sollte. Als er den Traktor seines Chefs zerstört hatte, begab er sich mit nur zwei Dollar und 50 Cent in der Tasche nach Memphis, Tennessee.
Dort suchte und fand King schließlich einen entfernten Verwandten seiner Mutter, den damals recht renommierten Sänger Bukka White. Der nahm den Jungen unter seine Fittiche und lehrte ihn weniger das Gitarrenspiel als vielmehr die nötige Ausdauer, seinem Traum zu folgen.
Sein erster Erfolg war die Radioshow von Sonny Boy Williamson, die ihm ein festes Engagement in einem Restaurant auf der Sixteenth Avenue, Auftritte in weiteren Radiosendungen und endlich auch einen Plattenvertrag bescherte. Dafür brauchte er einen griffigeren Namen und verlegte sich auf "Blues Boy", kurz B.B., das er nicht mehr loswerden würde.
Die Gitarre als Braut
B.B. King war bereits Eingeweihten kein Unbekannter mehr, als bei einem seiner Auftritte 1950 zwei Männer im Publikum bei einem Faustkampf ein zum Zwecke der Beheizung im Saal aufgestelltes Fass mit Kerosin umkippten. Die brennende Flüssigkeit breitete sich rasch aus, King floh mit den übrigen Leuten ins Freie.
Dort bemerkte er, dass er seine Gitarre vergessen hatte, ging noch einmal ins Lokal, um sie unter Lebensgefahr zu retten. Später stellte sich heraus, dass die beiden Männer sich wegen einer Frau namens Lucille gestritten hatten. Und fortan, so will es die Legende und so war es wohl auch, nannte B.B. King jede seiner Gitarren - in der Regel waren das Modelle von Gibson - "Lucille".
Es ist der Gründungsmythos der Popkultur schlechthin: ein Mann, der sein Instrument zur Braut nimmt und mit ihr in einen unendlichen und unendlich liebevollen Dialog tritt. Typisch für sein Spiel war, dass er nur selten Akkorde zupfte, sondern auf einer einzigen Saite blieb, oft nur eine einzige Note so klingen ließ, als würde sie weinen. In seinen Soli spielte Technik keine Rolle, es dominierte das Gemüt und damit der Charakter des Spielers.
Er beeinflusste legendäre Rockmusiker
Hits wie "Three O'Clock Blues", "Woke Up This Morning" und vor allem "The Thrill Is Gone" hatten B.B. King in den Sechzigerjahren zu einer festen Größe in der schwarzen Community gemacht. In anderen Bereichen der stark segregierten Gesellschaft allerdings kannte noch kein Mensch seinen Namen.
Das änderte sich spätestens 1965, als mit der Paul Butterfield Blues Band erstmals der Blues ein breites Publikum erreichte. Deren Gitarrist, das weiße Wunderkind Mike Bloomfield, wurde über Nacht zum Star. Gefragt, was er da eigentlich spielte, erklärte Bloomfield, er kopiere nur die Licks eines anderen Musikers - die von B.B. King, "the real monster".
Erst dieses Bekenntnis katapultierte den ohnehin unermüdlich tourenden und aufnehmenden B.B. King gerade rechtzeitig in die erste Reihe der Gitarristen. Ab 1965 spielte er nur noch in größten Hallen, auf Festivals und beeinflusste mit seinem Spiel Generationen legendärer Gitarristen, über Albert Collins, Stevie Ray Vaughn, Jimi Hendrix, Eric Clapton, Keith Richards bis zu Neil Young, Slash oder Jack White, die allesamt ohne B.B. King und "Lucille" nicht denkbar wären.
Bis ins hohe Alter auf der Bühne
Deshalb ragte B.B. King auch in späteren Jahren nicht wie ein Ausnahmekünstler aus einer fernen Vergangenheit in unsere Zeit hinein, sondern klang bis zuletzt so modern und vital wie das Genre, das er entscheidend aus der Taufe zu heben geholfen hatte. Als "Botschafter des Blues" konnte er die Früchte seiner Kunst noch lange genießen. Er wurde mit mehreren Grammys ausgezeichnet und mit Ehrendoktorwürden bekleidet; sogar mit U2 musste er auf Tournee gehen.
Er tat es mit unverbrüchlicher Demut und Bescheidenheit noch bis ins höchste Alter, in manchen Jahren sollen es sogar 360 Auftritte gewesen sein. Einer seiner letzten Auftritte führte ihn 2012 ins Weiße Haus, wo er zusammen mit Mick Jagger, Buddy Guy und Jeff Beck "Sweet Home Chicago" spielte - mit US-Präsident Obama am Mikrofon. Seine letzte Tournee musste er wegen seines Gesundheitszustandes unterbrechen.
Am 14. Mai ist Riley B. King in seinem Haus in Las Vegas verstorben. Als B.B. King allerdings hat er längst jene Unsterblichkeit erreicht, die nur den größten Künstlern vorbehalten ist.